Eines der ältesten Fotos aus dem Album von Elisabeth Stock zeigt die Familie ihres Ehemannes Wilhelm Stock um das Jahr 1915. Die zehnköpfige Familie lebt in dem kleinen Ort Finkenstein in Oberschlesien, 12 km nördlich von Oppeln.
Emma Stock, geb. Bruder, geb. am 29.07.1868 in Finkenstein, hatte den Wirtschafter Wilhelm Stock, geb, 03.06.1864 in Klink, am 10. November 1890 in Kupp geheiratet.
Wir können uns angesichts der noch erhaltenen Bilder in die Zeit versetzten. Das Leben ist anstrengend, Mutter und Vater Stock müssen hart arbeiten, um die Familie zu ernähren. Alle Kinder wachsen in Finkenstein auf und wohnen in diesem Haus an der Dorfstraße.
Das Haus der Familie Stock |
2010 sieht das Wohnhaus so aus. Ein Anbau ist hinzugekommen! |
Gegenüber steht ebenfalls ein Haus eines weiteren Familienzweigs der Stocks. Darin befindet sich eine kleine Fleischerei sowie ein Gasthaus mit Saal.
Hier lebt des Bruders von Wilhelm Stock sen., Karl Stock sen. Auch Karl Stock hat mit seiner Frau mindestens zwei Söhne, nämlich Karl Stock jun. sowie Gustav Stock. Auf dessen Namen stoßen wir im Zusammenhang mit einer jugendlichen Freundschaft mit Frau Frenzi K. aus Finkenstein.
Frenzi K. lebt heute in Berlin und verbringt zeitweilig noch Kurzurlaube in ihrem Haus in Finkenstein. Wir trafen sie dort im August 2010. Gustav Stock wurde offenbar Pilot. Ihn verschlug es nach dem Krieg möglicherweise in den Raum Stuttgart.
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Frau K. konnte uns noch einige Hinweise geben! |
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Wilhellm Stock jun. und Eltern |
Richard Stock, der Vater von Heinz, hat eigenes Vieh gehalten und nebenbei gearbeitet. Diese Arbeit war eine Tätigkeit im staatlichen Forst. Erinnerlich ist dem Sohn Heinz das sogenannte "Langholz-Fahren" an die Oder.
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Heinz Stock erinnert sich. |
Wilhelm aber besucht nach seiner regulären Schulzeit die Handelsschule, um seine Berufschancen zu erhöhen. Die Zeugnisabschrift bestätigt, dass Wilhelm jun. in der Zeit vom 01. April 1927 bis zum 22. März 1929 die Städtische Handelsschule in Oppeln besucht und sich der "Abschlussprüfung mit Erfolg unterzogen" hat.
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Beglaubigte Abschrift des Zeugnisses der Handelsschule Oppeln |
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Die Kirche in Karlsmarkt, in der Elisabeth Rabiega vermutlich getauft wurde. |
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Familie von Elisabeth Rabiega |
Elisabeth findet in jungen Jahren bei ihrer späteren Schwägerin Selma Passek eine Anstellung als Verkäuferin. Wilhelm und Elisabeth lernen sich in dieser Zeit kennen und lieben. Heinz Stock meint sich zu erinnern, dass auch Wilhelm Stock bei der Familie Passek gewohnt bzw. gearbeitet hat. Möglicherweise hat er dort seine kaufmännische Ausbildung gemacht, was allerdings bisher nicht bestätigt ist.
Und sie beschließen zu heiraten. Doch einige Familienmitglieder der Stocks haben Bedenken und äußern diese auch. Am heftigsten interveniert offensichtlich Paula, die ältere Schwester von Wilhelm. Nach ihrer Einschätzung ist Elisabeth als Arbeitermädchen -ein "Dienstbolzen", wie sie in rauher Umgangssprache selbst zu hören bekommt- keine Frau für ihren Bruder. Eine derartige Verbindung sei für einen jungen Mann mit Abschluss der Handelsschule nicht angemessen, werden Familienangehörige zitiert.
Aber Wilhelm hat seinen eigenen Kopf, die Ratschläge seiner Schwester und auch seiner Eltern schlägt er aus. Gegen den familiären Widerstand beschließt er, mit Elisabeth eine Familie zu gründen. Es scheint heute, als habe Wilhelm Eigenschaften wie Beharrlichkeit und Widerstand, aber auch Eigenwilligkeit als genetische Persönlichkeitsmerkmale weitergegeben.
In der gleichen Kirche, in der auch schon seine Eltern (in Kupp) geheiratet hatten, heiratet auch Wilhelm jun. seine Verlobte Elisabeth Stock am 19. November 1933.
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Hochzeit Wilhelm und Elisabeth 1933 |
Wilhelm jun. und seine Frau ziehen vermutlich zunächst nach Angersdorf. Wilhelm ist nach Ablegung seiner Prüfung an der Handelsschule von Beruf Kaufmann. In Angersdorf betreiben beide ein kleines Kolonial- und Kurzwarengeschäft.
In diesem Haus in Angersdorf werden auch die beiden Söhne Wolfgang (1937) und Hans-Jürgen (1939) geboren. Elisabeth wird später erzählen, dass ihr Mann Wilhelm seinen Söhnen sehr nahe stand. "Er hat gedacht, er hat Herrgötter geboren", ließ sie später ihre Enkel wissen. Von seinem Neffen Heinz Stock ist das Zitat von Wilhelm überliefert: "Ein Junge ist nur dann ein richtiger Junge, wenn er für mindestens 5 Mark Schaden am Tag anrichtet."
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Wilhelm Stock ist stolz auf seine Kinder: "Ein Junge ist nur dann ein richtiger Junge, wenn er für mindestens 5 Mark Schaden am Tag anrichtet" Söhne Wolfgang und Hans-Jürgen in Kochelsdorf |
Bild des Kolonial- und Kurzwarengeschäftes im August 2010 |
Aber Wilhelm erkennt offenbar, dass man in einer kleinen Domäne wie Angersdorf von einem kleinen Kolonialwarengeschäft allein nicht leben kann. Er wünscht sich ein weiteres Standbein.
Am 16. August 1939, acht Monate nach der Geburt seines zweiten Sohnes Hans-Jürgen, hat Wilhelm einen Arbeitsunfall. Nach Erinnerungen seines Neffen Heinz Stock zog er sich dabei eine Verletzung am linken Fuß zu, die zu einer dauerhaften Beeinträchtigung führt. Heinz Stock meint sich zu erinnern, dass er bei Arbeiten an Bahnhofsleuchten gestürzt sei.
Wilhelm erhält vom 01. Februar 1940 eine Unfallrente in Höhe von 29,50 RM "monatlich im voraus", die er vom Postamt des jeweiligen Wohnortes abholen kann.
Nach derzeitigen Erkenntnissen ziehen Elisabeth und Wilhelm mit ihren Kindern nach Groschowitz. Wilhelm hat dort möglicherweise auf dem dortigen Bahnhof eine neue Verwendung gefunden. Möbelrechnungen verweisen auf eine Anschrift in Groschowitz, einem südlichen Stadtteil von Oppeln, in der Oppelner Str. 64. Ob es sich tatsächlich um eine Wohnanschrift, oder nur um eine Lieferanschrift handelte, ist derzeit noch unklar.
Ein Blick ins Innere des Verkaufsraums im August 2010 |
Am 16. August 1939, acht Monate nach der Geburt seines zweiten Sohnes Hans-Jürgen, hat Wilhelm einen Arbeitsunfall. Nach Erinnerungen seines Neffen Heinz Stock zog er sich dabei eine Verletzung am linken Fuß zu, die zu einer dauerhaften Beeinträchtigung führt. Heinz Stock meint sich zu erinnern, dass er bei Arbeiten an Bahnhofsleuchten gestürzt sei.
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Bescheid über die Gewährung einer vorläufigen Unfallrente |
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Der Bescheid gibt auch Auskunft über die Verletzungen |
Nach derzeitigen Erkenntnissen ziehen Elisabeth und Wilhelm mit ihren Kindern nach Groschowitz. Wilhelm hat dort möglicherweise auf dem dortigen Bahnhof eine neue Verwendung gefunden. Möbelrechnungen verweisen auf eine Anschrift in Groschowitz, einem südlichen Stadtteil von Oppeln, in der Oppelner Str. 64. Ob es sich tatsächlich um eine Wohnanschrift, oder nur um eine Lieferanschrift handelte, ist derzeit noch unklar.
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Möbelrechnung über eine Kücheneinrichtung |
Die Dokumente legen zumindest den Schluss nahe, dass Wilhelm und Elisabeth sich am 11. April 1940 Möbel an die Anschrift Oppelner Str. 64 haben liefern lassen. Der Lieferschein der Kücheneinrichtung belegt, dass die Lieferung auch an diese Anschrift erfolgt sein muss.
Aus dem Jahr 1940 gibt es ferner eine "Anzeige über Verheiratung", die ebenfalls aus Ausstellungsort Groschowitz nebst Unterschrift von Wilhelm ausweist. Diese Anzeige dürfte im Zusammenhang mit der damals erforderlichen Erklärungen zu jüdischen bzw. nichtjüdischen Verwandschaftsverhältnissen gestanden haben. Ein Zusammenhang mit der Anstellung bei der Reichsbahn ist zumindest nicht erkennbar. Erst aus dem Jahr 1942, als der Wohnort bereits Kochelsdorf lautet, wird von Wilhelm eine Anzeige über Verheiratung für die Deutsche Reichsbahngesellschaft erstellt.
Im Jahr 1941 legt Wilhelm eine wohl eher formlose Prüfung zur einfachen Befähigung für den Rechnungsdienst bei der Deutschen Reichsbahn, Reichsbahndirektion Oppeln, ab. Dieses Dokument weist Wilhelm als Reichsbahngehilfen (am Bahnhof?) in Groschowitz aus.
Den Erzählungen des Neffen Heinz Stock ist zu entnehmen, dass Wilhelm und Elisabeth vermutlich im Jahr 1940 noch einmal für einige Monate in Finkenstein ein Geschäft betrieben haben. Ob dieses Geschäft parallel zu der Tätigkeit von Wilhelm bei der Reichsbahn betrieben wurde, ist noch unklar.
Belegen lässt sich indes, dass Wilhelm Stock am 22. Oktober 1941ein Haus nebst Geschäft und weiteren Gebäudeteilen in Kochelsdorf, Dorfstr. 1, von der Kaufmannsfamilie Reinhart kaufte. Das Haus in Kochelsdorf wird die letzte Station der jungen Familie. Es ist die Zeit des Krieges, im Westen wie im Osten.
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Kaufvertrag Haus in Kochelsdorf |
Für den Erwerb des Grundeigentums werden für Wilhelm insgesamt 562,50 RM an Grunderwerbssteuer fällig.
Für die Führung seines neuen Geschäftes im Nebenerwerb beantragt Wilhelm beim Landrat in Kreuzburg/OS am 22.10.1941 die Genehmigung zur Übernahme eines Gemischtwarengeschäfts in Kochelsdorf.
Für die Führung seines neuen Geschäftes im Nebenerwerb beantragt Wilhelm beim Landrat in Kreuzburg/OS am 22.10.1941 die Genehmigung zur Übernahme eines Gemischtwarengeschäfts in Kochelsdorf.
Wilhelm meldete erhielt weiterhin eine Genehmigung zum Butterkleinverkauf an, für die er eine Genehmigung "zur weiteren Butterverteilung im Rahmen der bei ihnen abgegebenen Bestellscheine der Reichsfettkarte" erhielt. Am 19.07.1941 schließt Wilhelm noch in Finkenstein eine Haftpflichtversicherung für das Objekt in Kocheldorf ab. Eine Ausfertigung ergeht am 20. Dezember 1941 für die Zeit vom 12.12.1941 bis 12.12.1942. Danach erfolgt eine jährliche Verlängerung. Am 02.01.1942 erhält Wilhelm die Genehmigung zum Handel mit "vollständig vergälltem Branntwein".
Am 12. August 1942 wird Wilhelm von der Reichsbahndirektion Oppeln zum Reichsbahnbetriebswart ernannt. Als dienstlicher Wohnsitz wird im Pitschen zugewiesen - und damit als Dienstort der Bahnhof in Pitschen.
Am 12. August 1942 wird Wilhelm von der Reichsbahndirektion Oppeln zum Reichsbahnbetriebswart ernannt. Als dienstlicher Wohnsitz wird im Pitschen zugewiesen - und damit als Dienstort der Bahnhof in Pitschen.
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Begleitschreiben zur Ernennung zum Reichbahnbetriebswart |
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Gustav Stock, der Bruder von Wilhelm, lebte offenbar auch während des Krieges in Berlin, in einem Stadtteil, der nach Ende des 2. Weltkrieges zu Berlin Ost gehörte. Nach Aussage von Heiinz Stock wollte sein Onkel auch bereits vor dem Mauerbau 1961 in den Westteil Deutschlands kommen, hat allerdings aus geschäftlichen Gründen einen rechtzeitigen Umzug vor dem Mauerbau verpasst und hat später erst als Rentner einen Ausreiseantrag stellen können. Sein Haus musste er offenbar, wie damals vermutlich üblich, dem DDR-Staat überlassen.
Gustav Stock, der Bruder von Wilhelm, lebte offenbar auch während des Krieges in Berlin, in einem Stadtteil, der nach Ende des 2. Weltkrieges zu Berlin Ost gehörte. Nach Aussage von Heiinz Stock wollte sein Onkel auch bereits vor dem Mauerbau 1961 in den Westteil Deutschlands kommen, hat allerdings aus geschäftlichen Gründen einen rechtzeitigen Umzug vor dem Mauerbau verpasst und hat später erst als Rentner einen Ausreiseantrag stellen können. Sein Haus musste er offenbar, wie damals vermutlich üblich, dem DDR-Staat überlassen.